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Ärzte erklären

Wie molekulare Allergiediagnostik bei der Unterscheidung einer echten Haselnussallergie von einer Kreuzallergie helfen kann

Die Allergiediagnostik bildet die Grundlage für die richtige Beurteilung und Behandlung von auftretenden allergischen Beschwerden. Für die Allergiediagnostik stehen sowohl klassische als auch innovative Methoden zur Verfügung. Der Pricktest und die Bestimmung von IgE-Antikörpern gegen die vermuteten Allergene (IgE steht für Immunglobulin E) gehören zu den klassischen, etablierten Methoden. Die molekulare Allergiediagnostik hingegen bietet vor allem bei Menschen, die auf viele verschiedene Allergene reagieren (polysensibilisierten Patienten) und bei speziellen Fragestellungen eine weitere innovative Möglichkeit der Allergiediagnostik.

 

Was ist ein Pricktest?

Ein Pricktest erfolgt auf der Haut des Unterarms, wobei Allergenlösungen tröpfchenweise auf die Haut aufgetragen werden. Damit die Allergene in die Haut eindringen können, wird die Haut mit einer feinen Lanzette mit einer ganz kurzen Spitze oberflächlich durch den Tropfen hindurch eingestochen. Dies ist nicht schmerzhaft. Mithilfe eines Pricktests kann eine allergische Sofortreaktion in der Haut nachgewiesen werden, indem bestimmte Zellen in der Haut mit dem entsprechenden Allergen stimuliert werden. Diese sogenannten Mastzellen tragen auf ihrer Oberfläche IgE-Antikörper, die das Allergen erkennen und binden können. Durch die Allergenbindung werden diese Zellen aktiviert und dazu veranlasst, verschiedene Botenstoffe, wie beispielsweise Histamin, freizusetzen. Diese freigesetzten Botenstoffe sind die Verursacher der allergischen Hautreaktion (Quaddel, Rötung) und spiegeln eine sogenannte Sensibilisierung auf das getestete Allergen wieder.

 

Nicht immer hilft der Pricktest alleine weiter!

Allerdings führt der Pricktest nicht bei allen Patienten und Fragestellungen zu einer eindeutigen Diagnose. Bei polysensibilisierten Patienten kommt es bei der Pricktestung nicht selten zu widersprüchlichen Testergebnissen, die z. B. nicht mit der Anamnese (Krankheitsgeschichte) des Patienten korrespondieren. In diesen Fällen sind weitere Untersuchungen nötig, um die Allergene, die für die allergischen Beschwerden verantwortlich sind, zweifelsfrei zu diagnostizieren. Eine weitere klassische Methode ist die Bestimmung von spezifischen IgE-Antikörpern (sIgE) im Blutserum. Bei dieser Methode wird freies IgE im Blut des Patienten bestimmt, welches spezifisch an verschiedene Allergene in Allergenextrakten bindet. Somit kann mit beiden klassischen Methoden, dem Pricktest und der Bestimmung von sIgE, eine ähnliche Aussage getroffen werden, da sich mit beiden Methoden eine Sensibilisierung auf bestimmte Allergenextrakte nachweisen lässt, welche jedoch Mischungen aus vielen verschiedenen Eiweißen darstellen.

Mit der molekularen Allergiediagnostik hingegen kann eine Sensibilisierung auf einzelne Allergenmoleküle (Komponenten) nachgewiesen werden, die in den Allergenextrakten enthalten sind. Allergenkomponenten stellen einzelne Eiweißmoleküle dar. Durch die molekulare Allergiediagnostik kann genau das Molekül identifiziert werden, welches beim Patienten eine allergische Reaktion hervorruft. Somit ist es häufig möglich, für die Patienten eine passgenauere Behandlung in Form einer Hyposensibilisierung zu empfehlen.

 

Unterscheidung von echten und sekundären Nahrungsmittelallergien

Ein weiterer Vorteil der molekularen Allergiediagnostik besteht in der Möglichkeit, zwischen einer „echten“ (primären) und einer sekundären (pollenassoziierten) Nahrungsmittelallergie zu unterscheiden. Echte (IgE-vermittelte) Nahrungsmittelallergien können schlimmstenfalls mit schweren lebensbedrohlichen Reaktionen einhergehen. Erfreulicherweise sind primäre Nahrungsmittelallergien seltener als allgemein angenommen. Die Häufigkeit liegt bei Kindern mit 4,2 % etwas höher als die bei Erwachsenen mit 3,7 %. Eine sekundäre Nahrungsmittelallergie beruht dagegen auf einer Kreuzallergie gegen Pollenproteine, die auch in bestimmten Nahrungsmitteln vorkommen. So besteht beispielsweise zwischen Haselnüssen und Birkenpollen eine starke Kreuzreaktivität aufgrund des Vorhandenseins von zu Birkenpollen strukturell sehr ähnlichen Proteinen in Haselnüssen. Beispielsweise treten bei den meisten Birkenpollenallergikern im Verlauf der Allergie Unverträglichkeiten gegenüber bestimmten Nahrungsmitteln auf, wie

 

  • Nüsse (z. B. Haselnüsse)
  • Kernobst (z. B. Äpfel)
  • Steinobst (z. B. Kirschen)

 

Diese Unverträglichkeiten äußern sich typischerweise in einem oralen Allergiesyndrom (OAS), welches eine lokale allergische Reaktion im Mund- und Rachenbereich darstellt. In seltenen Fällen kann es neben einem OAS auch zu allergischen Allgemeinreaktionen nach Verzehr eines kreuzreaktiven Nahrungsmittels kommen.

Daher kann eine echte Haselnussallergie von einer durch Birkenpollenallergene verursachten Kreuzallergie gegen Haselnüsse schwierig zu unterscheiden sein. Eine Beurteilung, welche Form der Allergie vorliegt, ist unter Nutzung der klassischen Methoden gänzlich unmöglich. Ein positiver Pricktest gegen Haselnuss lässt keine Risikoabschätzung zu. Da mithilfe der molekularen Allergiediagnostik Sensibilisierungen auf einzelne Allergenkomponenten nachgewiesen werden können, kann zwischen Haupt- und Nebengruppenallergenen unterschieden werden. Nebengruppenallergene stellen Allergene dar, die in mehreren Allergenquellen vorkommen und oftmals Kreuzallergien verursachen. Die Namen der einzelnen Allergenkomponenten setzen sich aus den ersten drei Buchstaben des Gattungs- und dem ersten Buchstaben des Artnamens zusammen. Bei der Haselnuss werden die verschiedenen Allergenkomponenten daher nach dem lateinischen Namen Corylus avellana als Cor a 1-16 bezeichnet. Die Nummerierung entspricht dabei der Reihenfolge der Erstbeschreibung.

 

Welche Allergenkomponenten mit einer echten Nahrungsmittelallergie und damit hohem Risiko verbunden sind. Warum ist dies von Bedeutung und wie kann dies überprüft werden?

Mithilfe der molekularen Allergiediagnostik konnte nachgewiesen werden, dass eine Sensibilisierung auf die Haselnussallergenkomponenten Cor a 9 und Cor a 14 auf das Vorliegen einer primären und somit echten Haselnussallergie hindeutet. Bei 86 % aller Patienten mit einer Haselnussallergie war die Sensibilisierung auf Cor a 9 mit dem Auftreten von systemischen Reaktionen assoziiert. Eine Sensibilisierung auf die Allergenkomponenten Cor a 1 und Cor a 2 ist hingegen meistens mit einer Sensibilisierung auf die Birkenpollen-allergenkomponenten (lateinischer Name vom Birke = Betula veruccosa) Bet v 1 und Bet v 2 assoziiert und somit auf eine durch eine Birkenpollensensibilisierung hervorgerufene Kreuz-allergie auf bestimmte Allergenkomponenten der Haselnuss zurückzuführen.

 

Kreuzallergie vs. echte Nahrungsmittelallergie: unterschiedliche Therapiemöglichkeiten

Sowohl bei einer Kreuzallergie als auch bei einer echten Nahrungsmittelallergie steht an erster Stelle die Vermeidung (Karenz) von Nahrungsmitteln, welche die allergischen Beschwerden auslösen.

Da einer Kreuzallergie auf Haselnüsse oft eine Birkenpollen-assoziierte Nahrungsmittelallergie zugrunde liegt, kann die Ausprägung der allergischen Beschwerden im Jahresverlauf und in Abhängigkeit des Pollenflugs variieren. Viele Allergene sind zudem hitzelabil, sodass viele Betroffene oft Haselnüsse in verarbeiteten oder erhitzten Nahrungsmitteln besser vertragen. Dies kann jedoch patientenindividuell unterschiedlich sein und muss ausprobieret werden. Daher besteht bei einer Kreuzallergie auf Haselnüsse nicht gleich die Notwendigkeit, Haselnuss enthaltende Nahrungsmittel pauschal zu meiden.

Bei einer echten Haselnussallergie hingegen ist das Risiko, schwerwiegende allergische Reaktionen zu entwickeln, höher und daher gilt bei Haselnussallergikern eine strikte Vermeidung von möglichen Allergenquellen. Darüber hinaus ist es für solche Patienten wichtig zu wissen, welche Maßnahmen im Falle eines versehentlichen Verzehrs allergenhaltiger Nahrungsmittel getroffen werden müssen, wenn sich allergische Beschwerden entwickeln (z. B. Anwendung/Einnahme von Notfallmedikamenten). Zudem sollten Sie sich von Ihrem Allergologen einen Allergiepass ausstellen lassen, wenn bei Ihnen eine echte Nahrungsmittelallergie gegen Haselnüsse und ggf. weitere Nussarten festgestellt worden ist.

Eine ursächliche Behandlungsform gibt es bei einer echten Haselnussallergie leider bisher nicht. Derzeit bleibt nur die Vermeidung von Haselnüssen und Fertiglebensmitteln, die Haselnüsse enthalten.

 

Dr. med. Roy Süssmann

HNO Praxis Dr. Süssmann
Große Bockenheimer Str. 41, 60313 Frankfurt am Main
Tel.: 069 / 13 38 30 95
HNO – Praxis Frankfurt - HNO Dr. Süssmann (hno-fressgass.de)