Zum Hauptinhalt springen

Medien berichten

1LIVE Dumm gefragt - Allergiker:innen

„Was ist schlimmer – Lebensmittel- oder Pollenallergie?“

Dies ist eine der Fragen, die 1LIVE-Moderator Fritz Schaefer Allergikern in seinem Podcast „Dumm Gefragt“ stellt. Das Format „Dumm Gefragt“ interviewt wöchentlich verschiedene Zielgruppen und bedient dabei sowohl Klischees als auch Vorurteile. Diese Woche wurde bei der Gruppe der Allergiker nachgefragt!

Diese Thematik hat uns von MyAllergy brennend interessiert. Gemeinsam mit unserer medizinischen Fachabteilung haben wir uns den Podcast und das zugehörige Video angehört und angeschaut. Einige Punkte möchten wir auf diesem Wege gerne aufgreifen und näher erklären. Hierbei gehen wir zum Beispiel auf die Themen Kreuzallergien (zwischen Pollen und Nahrungsmitteln) , Lebensmittelallergien und Therapiemöglichkeiten ein.

 

„Ich heiße McNut mit Nachnamen“

Zum Gesprächseinstieg wählt Fritz Schaefer die vermeintlich einfache Frage: „Welche Allergien habt ihr?“ Die meisten Befragten antworten: „Baum- und Gräserpollen“, ehe sie damit beginnen, lange Liste verschiedener Allergene aufzuzählen. Eine Allergikerin fragt sich bei ihrer Aufzählung, warum sie zusätzlich auch gegen Möhren allergisch sei. Eine weitere Allergikerin bemerkt scherzhaft „Ich heiße McNut mit Nachnamen“, um ihre Allergie gegen Nüsse aufzuzeigen.

Da während des Podcasts viel über Lebensmittelallergien gesprochen wird und das Thema Kreuzallergien nicht zur Sprache kommt, haben wir unsere medizinische Abteilung gebeten, uns dies zu erklären.

 

Beschwerden nach dem Essen: Nicht immer steckt eine Lebensmittelallergie dahinter

Das Auftreten von allergischen Beschwerden nach dem Verzehr von bestimmten Nahrungsmitteln deutet nicht automatisch auf das Vorliegen einer echten (IgE-vermittelten) Nahrungsmittelallergie (NMA) hin. Oftmals sind die allergischen Beschwerden auf eine pollenassoziierte NMA zurückzuführen.

Tatsächlich entwickeln zwischen 50 und 70 % aller Pollenallergiker ein solches orales Allergiesyndrom, welches durch kreuzreaktive Nahrungsmittel verursacht wird. Diese Nahrungsmittel enthalten Proteine, die den eigentlichen Pollenallergenen strukturell sehr ähnlich sind und in gleicher Weise vom Immunsystem erkannt werden. Erfreulicherweise werden dabei in den meisten Fällen nur lokale und milde Reaktionen wie Juckreiz und leichte Schwellungen an Lippen, Mund und Rachen ausgelöst.

Diese treten direkt nach dem Verzehr des Nahrungsmittels auf und bilden sich nach kurzer Zeit wieder zurück. Seltener kann es auch zu Magen-Darm-Beschwerden kommen. Die Ausprägung des oralen Allergiesyndroms kann mitunter während der Pollensaison, je nach Stärke des Pollenflugs, variieren.

 

Kreuzallergie: Pauschale Vermeidung von Nahrungsmitteln nur im Einzelfall

Bei einer pollenassoziierten Allergie besteht allerdings nicht die Notwendigkeit, bestimmte Nahrungsmittel pauschal zu meiden. Stattdessen sollte es von der individuellen Verträglichkeit abhängig gemacht werden, welche Nahrungsmittel bzw. in welcher Form diese weiterhin toleriert werden.

Viele Allergene sind hitzelabil, sodass erhitzte oder verarbeitete Nahrungsmittel oft besser vertragen werden. Eine Ausnahme bilden bestimmte Gewürze oder Sellerieallergene, die oftmals sehr hitzestabil sind und somit auch im gekochten Zustand nur schlecht vertragen werden.

Bei einer birkenpollenassoziierten Nahrungsmittelallergie besteht eine Kreuzreaktivität zwischen dem Birkenallergen Bet v 1 und beispielsweise dem Nahrungsmittelallergen Mal d 1, welches in Äpfeln vorkommt. Da sowohl der Gehalt als auch die Verteilung des Allergens unterschiedlich sein können, werden oftmals nicht nur bestimmte Apfelsorten besser vertragen, sondern auch geschälte Äpfel.

 

Podcast-Moderator stellt provokante Frage

Eine weitere provokative Frage im Podcast lautet „Was ist schlimmer – Lebensmittel- oder Pollenallergie?“ Sogleich antwortet eine Pollenallergikerin, es sei die eigene Entscheidung, welche Lebensmittel man esse oder nicht. Pollen seien hingegen einfach überall. Und atmen müsse man eben. Unsere medizinische Abteilung ist sich einig: Ob eine Lebensmittel- oder Pollenallergie schlimmer ist, lasse sich nicht pauschal beantworten, da die Wahrnehmung subjektiv sein kann. Allerdings ist bei beiden Allergien der Leidensdruck der Betroffenen oftmals sehr groß.

Bei einer saisonalen Allergie (zum Beispiel Gräserpollen) leiden die Betroffenen teilweise nur wenige Wochen, manchmal aber auch mehrere Monate an allergischen Beschwerden wie beispielsweise Heuschnupfen. Daher ist der Aufenthalt im Freien zur Zeit des Pollenfluges für Graspollenallergiker oftmals sehr belastend und eine Linderung der allergischen Beschwerden kann nur durch die Einnahme von Medikamenten oder eine spezifische Immuntherapie erreicht werden.

 

Echte Nahrungsmittelallergien zwingen zum Verzicht

Bei echten (IgE-vermittelten) Nahrungsmittelallergien (NMA) bleibt den Betroffenen nur die Meidung bestimmter Lebensmittel, da es kaum Therapiemöglichkeiten gibt. In vielen Nahrungsmitteln sind allerdings Spuren von Allergenen wie beispielsweise Sellerie, Erdnuss oder Gluten enthalten, daher kann die Vermeidung dieser Allergene teilweise sehr aufwendig sein. Vor allem bei Kindern müssen Eltern bei Nahrungsmittelallergien besonders gut aufpassen.

Gerade bei NMA reichen oft geringste Mengen des Allergens aus, um bei den Betroffenen allergische Beschwerden auszulösen. Diese können sich als lokale Reaktionen im Mund- sowie Rachenbereich bzw. als schwere allergische Reaktion in Form eines anaphylaktischen Schocks äußern. Erfreulicherweise kommen durch orale Testung bestätigte Nahrungsmittelallergien nur bei circa 4 % der Allergiker vor. Nahrungsmittelunverträglichkeiten kommen dagegen viel häufiger in der Bevölkerung vor und sind bei 30 % bis zu 40 % der Patienten zu finden.

Wer sich zwischen dem Risiko schwerer, mitunter lebensbedrohlicher allergischer Reaktionen und dem Genuss bestimmter Lebensmittel entscheiden muss, braucht vermutlich nicht lange überlegen.

 

„Ich weiß nicht, auf welche Gräser ich allergisch bin.“

Auffallend während des Podcasts ist zudem, dass viele Allergikerinnen und Allergiker gar nicht genau wissen, auf welche Allergene sie reagieren. Ein Allergiker sagt zum Beispiel, er wisse gar nicht, auf welches Gras er eigentlich allergisch sei.

Der Mehrheit der Gräserpollenallergiker ist die Ähnlichkeit und somit die Kreuzreaktivität vieler Gräser untereinander nicht bewusst. Daher werden in der Regel nur ein beliebiges bzw. nur einige wenige Gräser zur Diagnostik und Therapie einer Gräserpollenallergie verwendet. Häufig herangezogen werden:

  • Lieschgras
  • Knäuelgras
  • Wiesenrispengras

Am besten untersucht ist das Lieschgras. Es fungiert gewissermaßen als „Leitallergen“ für die Diagnostik und Therapie von Heuschnupfen verursacht durch Gräser und Getreidepollen. Gräserpollen stellen in den meisten Industrieländern die Hauptursache für Pollenallergien dar. Die Familie der Süßgräser umfasst über 12.000 Arten, deren Verbreitung von den vorherrschenden klimatischen Bedingungen abhängig ist.

 

Zu welchem Arzt bei Verdacht auf Allergie?

Ein Allergiker im Podcast scheint jedes Jahr erneut von seiner Allergie überrascht zu sein. Er sagt, er wisse nicht, wann seine Allergie immer anfängt – meistens sei es um seinen Geburtstag rum. Besteht der Verdacht auf eine Allergie, sollte ein Arzt mit der Zusatzbezeichnung „Allergologe“ aufgesucht werden. Dabei handelt es sich in der Regel um Ärzte aus den folgenden Fachbereichen:

  • Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde
  • Dermatologie (Hauterkrankungen)
  • Pneumologie (Lungenheilkunde)
  • Pädiatrie
  • Allgemeinmedizin

 

Wie wird eine Allergie diagnostiziert?

Mithilfe eines Hauttests, dem sogenannten Pricktest, kann eine Sensibilisierung sowohl auf saisonale als auch ganzjährige Allergene nachgewiesen werden. Die Stärke der hervorgerufenen Hautreaktionen lässt dabei Rückschlüsse auf den Sensibilisierungsgrad zu.

Zum Nachweis der klinischen Relevanz (oder bei widersprüchlichen Testbefunden) sollte eine nasale Provokationstestung erfolgen. Erst wenn die Ergebnisse der Allergiediagnostik und die Vorgeschichte (Anamnese) des Patienten übereinstimmen, ist das Vorliegen einer Allergie bestätigt und es können weitere Maßnahmen ergriffen werden.

Bei der Anamnese des Patienten konzentriert sich der Arzt dabei nicht nur darauf, an welchem Ort bzw. bei welcher Tätigkeit die allergischen Beschwerden vorkommen, sondern auch wann genau sie aufgetreten sind. Die Blütezeit der relevanten Baum-, Gräser- und Kräuterpollen kann mithilfe eines Pollenflugkalenders ermittelt werden, aber auch eine tagesaktuelle Pollenflugvorhersage kann für Allergiker hilfreich sein, gerade bei einer medikamentösen Behandlung der allergischen Beschwerden.

 

Allergische Beschwerden sind kein „Anstellen“

Verständnislos blicken sich die Befragten an, als sie die Aussage kommentieren sollen, man solle sich mit einer Allergie nicht so anstellen. Sie betonen, dass Menschen ohne jegliche Allergien ihr Leiden meist nicht nachempfinden können. Der Begriff „Heuschnupfen“ beispielsweise suggeriert, dass die allergischen Beschwerden nach wenigen Tagen - wie ein Schnupfen - wieder abklingen und vorbei sind. Dem ist leider nicht so.  Circa 80 % der Pollenallergiker reagieren nicht nur auf ein Allergen, sondern auf verschiedene Allergene. Häufig sind dies:

  • Bäume
  • Gräser
  • Sommerkräuter

Es kann also passieren, dass die allergischen Beschwerden für Betroffene von Frühjahr bis in den Herbst über viele Monate andauern. Auch ganzjährige Beschwerden mit saisonaler Verstärkung kommen häufig vor. Ein ganzjähriger Schnupfen ist sicher keine Bagatelle.

 

Vielfältige Symptome einer Allergie

Diese Beschwerden sind sehr vielfältig und äußern sich zum Beispiel durch:

  • Juckende Augen
  • Laufende Nase
  • Ständiges Niesen
  • Atemnot
  • Husten
  • Juckreiz auf der Haut

Das alles beeinträchtigt die Lebensqualität oft nachhaltig. So haben Untersuchungen ergeben, dass allergische Kinder und Jugendliche um eine ganze Schulnote schlechter bei Prüfungen abschneiden als nicht allergische Kinder und Jugendliche. Medikamente zur Linderung von allergischen Symptomen können ebenfalls Nebenwirkungen wie Müdigkeit verursachen und zum Beispiel Einfluss auf die Fahrtüchtigkeit haben. Viele Allergiker stufen deshalb ihre Lebensqualität während des Pollenflugs als schlecht ein, vergleichbar der Beurteilung von Patienten mit schweren Erkrankungen.

 

„Sind Allergien heilbar?“

Naheliegend ist daher die Frage „Sind Allergien heilbar?“ Erstaunlich ist, dass zwar viele Allergiker Medikamente gegen die Symptome ihrer Allergie einnehmen, jedoch teilweise kaum über die Möglichkeit der Hyposensibilisierung informiert sind.

Allergien können entweder durch saisonale (zum Beispiel Baumpollen) oder ganzjährige Allergene (zum Beispiel Milben) ausgelöst werden und zu allergischen Beschwerden wie Fließschnupfen, Augenjucken und Husten führen. Bei saisonalen allergischen Beschwerden kann die Verwendung von Medikamenten zur Linderung der allergischen Symptome beitragen, während bei ganzjährigen allergischen Beschwerden die Meidung des Allergens (Allergenkarenz), sofern möglich, vielversprechender ist.

 

Nur die Hyposensibilisierung behandelt die Ursache

Allerdings wird die Ursache der allergischen Beschwerden weder durch die Allergenkarenz noch durch Medikamente behandelt. Die einzige Möglichkeit, um die Ursache der Allergie zu therapieren, ist die Durchführung einer spezifischen Immuntherapie (Hyposensibilisierung). Bei einer spezifischen Immuntherapie lernt das Immunsystem durch regelmäßigen Kontakt mit verschiedenen Allergieauslösern die bei einer Allergie auftretende Überreaktion des Immunsystems abzustellen, indem es sich an die Allergene gewöhnt und diese nicht mehr als Gefahr einstuft.

Eine spezifische Immuntherapie kann entweder als subkutane oder sublinguale Therapie durchgeführt werden. Bei der subkutanen Therapie erfolgt die Behandlung in der Arztpraxis als Injektionen unter die Haut des Oberarms. Eine sublinguale Therapie kann hingegen zu Hause durchgeführt werden, wobei das Allergen entweder in Tropfen- oder Tablettenform unter die Zunge gebracht wird.

Eine spezifische Immuntherapie dauert in der Regel 3-5 Jahre und zielt darauf ab, die Lebensqualität durch Abschwächung der allergischen Reaktionen zu steigern bzw. eine Verschlimmerung der Allergie durch die Entwicklung eines allergischen Asthmas zu verhindern.

Unserer medizinischen Fachabteilung ist während des Podcasts aufgefallen, dass es viele offene Fragen zum Thema Allergien gibt. Wir von MyAllergy sind daher weiterhin motiviert, grundlegende und aktuelle Fragestellungen zu Allergien für Sie zu beantworten.

Den ganzen Podcast zum anhören gibt es unter: Haben Allergiker:innen als Kind zu wenig im Dreck gespielt!? - 1LIVE Dumm gefragt - 1LIVE - Podcasts und Audios - Mediathek - WDR