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Ärzte erklären

Weizenmehlallergie beim Erwachsenen – Bäckerasthma und WDEIA

Eine Weizenmehlallergie tritt bei Erwachsenen relativ selten auf. Glücklicherweise, denn ein Leben ohne Brot und Backwaren können sich viele Menschen nicht vorstellen. Zur Herstellung dieser Nahrungsmittel werden zumeist glutenhaltige Getreidesorten wie Weizen (botanische Bezeichnung Triticum aestivum) verwendet.

Besteht doch eine Weizenmehlallergie, ist Weizen das Nahrungsmittel, das bei Menschen über 18 Jahren am häufigsten zu schweren allergischen Sofortreaktionen führt, wie Auswertungen aus dem Anaphylaxie-Register ergeben haben.

Eine Nahrungsmittelallergie gegen Weizenmehl muss unterschieden werden von Allergien durch das Einatmen von Weizenmehl oder von Weizenpollen. Auch gibt es Unverträglichkeiten gegen Weizenmehl enthaltende Nahrungsmittel, die nicht allergischen Ursprungs sind. Wir erklären in diesem Artikel die Unterschiede.

 

Allergieauslöser: Nahrungsaufnahme oder Beruf

Weizen enthält verschiedene Eiweiße (Proteine), die Allergien auslösen können. Dazu gehört auch das Klebereiweiß Gluten. Dies verleiht Getreidesorten wie Weizen seine klebrigen Eigenschaften. Nach dem Genuss weizenhaltiger Lebensmittel kann es - bei entsprechender Sensibilisierung - durch den Kontakt mit der Darmschleimhaut zu allergischen Reaktionen kommen.

Aber auch im beruflichen Umfeld kann es zu einer Weizenallergie kommen. Das sogenannte Bäckerasthma oder der Bäckerschnupfen ist eine der häufigsten berufsbedingten Atemwegserkrankungen. Der Bäckerschnupfen entsteht, wenn auslösende Allergene wie Mehlstäube oder Backmittel mit den Schleimhäuten in Kontakt kommen. Oft beginnt die Erkrankung als Bäckerschnupfen mit laufender und verstopfter Nase sowie Niesreiz oder Bindehautentzündung am Arbeitsplatz. Werden diese Symptome ignoriert und nicht behandelt, droht den Erkrankten ein „Etagenwechsel“, der Übergang zu einem Bäckerasthma. Die Symptome verschlimmern sich in der Regel und es können anfallweise Atemnot sowie Atemwegsgeräusche hinzukommen. Die Backwaren selbst werden aber von den im Backhandwerk tätigen und betroffenen Menschen zumeist vertragen.

 

Sonderform der Weizenallergie im Erwachsenenalter: „WDEIA“

Eine Sonderform der Weizenallergie ist die weizenabhängige anstrengungsinduzierte Anaphylaxie. Die bekannte Abkürzung WDEIA steht dabei für die englische Bezeichnung wheat dependent exercise induced anaphylaxis.

Die betroffenen Patienten vertragen üblicherweise Weizenprodukte. Kommt es jedoch nach der Mahlzeit zu einer körperlichen Anstrengung, können ca. 30 Minuten bis zu mehreren Stunden nach der Weizenaufnahme allergische Reaktionen auftreten. Typische Auslöser sind vor allem starke körperliche Arbeit oder Sport.

Weitere Trigger einer WDEIA sind:

  • Stress
  • Alkohol
  • Medikamente
  • Hormonelle Faktoren (z. B. die Periode bei der Frau)

 

Zöliakie ist keine echte Allergie

Die Zöliakie ähnelt zwar von den Beschwerden her einer Allergie, wird aber dennoch nicht dazugezählt. Das liegt an dem völlig anderen Entstehungsmechanismus. Es handelt sich vielmehr um eine Autoimmunerkrankung, die durch Gluten hervorgerufen wird.

 

Immunsystem greift Darmschleimhaut an

Das Weizeneiweiß Gluten veranlasst das Immunsystem zu einer Reaktion auf das körpereigene Gewebe der Darmschleimhaut. Etwa ein Prozent der Bevölkerung ist Schätzungen zufolge von der Zöliakie betroffen.

 

Symptome der Zöliakie

Die Zöliakie kann Magen-Darm-Beschwerden, aber auch zahlreiche andere Symptome auslösen. Dazu gehören vor allem:

 

  • Bauchschmerzen
  • Durchfall
  • Blähungen
  • Verstopfung
  • Übelkeit
  • Erbrechen
  • Appetitlosigkeit
  • Blutarmut
  • Abgeschlagenheit
  • Muskelschwäche
  • Gewichtsverlust
  • Schlechte Stimmung/Depressionen

 

Ein Facharzt für Magen-Darm-Krankheiten (Gastroenterologe) kann die Erkrankung normalerweise sicher feststellen. Leider gibt es bisher keine Therapie gegen die Zöliakie. Patienten müssen auf Weizenprodukte weitestgehend verzichten.  

Bedeutung für Patienten:

Weizenmehl kann bei Kindern wie Erwachsenen verschiedene Erkrankungen und Symptome auslösen, die nicht immer einfach zuzuordnen sind. Entsprechend wichtig ist eine sorgfältige Diagnostik bei einem Facharzt.

 

Krankengeschichte (Anamnese) und Blutuntersuchung können weiterhelfen

Die Abfrage Ihrer Beschwerden stellt dabei einen wichtigen Baustein in der Diagnostik dar. So fragt Sie der Arzt beispielsweise:

 

  • Seit wann bestehen die Beschwerden?
  • Welche genauen Symptome treten auf?
  • Beginnen die Symptome immer nach dem Essen?
  • Sind Vorerkrankungen bekannt?

 

Mittels Blutuntersuchung kann vollkommen gefahrlos überprüft werden, ob eine allergische Sensibilisierung gegen Weizen vorliegt. Die Mehrheit der WDEIA-Patienten beispielsweise reagiert auf die Weizenbestandteile Tri a 19 und/oder Gliadin. Im Blut können IgE-Antikörper gegen diesen Risikomarker (Tri a 19 – Weizen und Omega-5 Gliadin) bestimmt werden.  

 

Bei beruflichen Beschwerden wie dem Bäckerasthma kann mittels Hauttest (Pricktest) oder Blutuntersuchung (IgE gegen Tri a 14) überprüft werden, ob Antikörper gegen Weizenmehl vorhanden sind. Auch eine nasale/bronchiale Provokationstestung mit Weizenmehl kann je nach Fragestellung zur endgültigen Diagnose durchgeführt werden. Diese Tests sind aber nur zum Nachweis einer Weizenallergie, nicht aber für die Abklärung einer Zöliakie geeignet. 

 

Kreuzreaktionen auf Pollen können eine Rolle spielen

Nahrungsmittelallergien im Erwachsenenalter sind häufig Folge einer Kreuzreaktion gegen Pollen; so auch bei der Weizenallergie: Hier reagieren Menschen auf weizenhaltige Nahrungsmittel, bei denen auch eine Sensibilisierung gegen Weizenpollen vorliegt. Auch bei Pollenallergikern, die auf andere Getreidepollen und Gräserpollen reagieren, kann es zu Kreuzreaktionen mit Weizen in der Nahrung kommen. 

Wird die Gräser-/Getreidepollenallergie nicht entsprechend behandelt, so steigt das Risiko einer Kreuzallergie auf Nahrungsmittel wie z. B. Weizenmehl. Eine Hyposensibilisierung (spezifische Immuntherapie) gegen Gräserpollen (und Getreidepollen) stellt derzeit die einige ursächliche Behandlung dar.

 

Ist Vollkornmehl besser als Weißmehl?

Bei der WDEIA ist auch der Grad der Verarbeitung des Getreides relevant. Untersuchungen haben ergeben, dass stark ausgemahlene Mehle stärkere Reaktionen auslösen als Vollkornmehle. Noch wichtiger ist aber, mögliche Auslösefaktoren zu vermeiden. Körperliche Anstrengung wie Sport sollte in diesem Fall also nur mit größerem zeitlichen Abstand zum Brötchenverzehr (o. Ä.) erfolgen.  Übrigens löst nicht nur Weizenmehl anaphylaktische Reaktionen aus. Bekannt ist dies auch von diesen Sorten:

  • Roggenmehl
  • Gerstenmehl
  • Dinkelmehl

 

Worauf sollten Sie beim Kauf von Lebensmitteln achten?

Seien Sie vorsichtig mit Fertigprodukten, denn diese enthalten für gewöhnlich viel Weizen. Auch wenn „Stärke“ auf der Zutatenliste genannt wird sollte man abklären, ob damit nicht eigentlich Weizenstärke gemeint ist. Auch der Begriff „glutenfrei“ auf der Verpackung ist nicht gleichbedeutend mit „weizenfrei“

 

Dürfen Betroffene überhaupt noch ein Weizenbier trinken?

Weizen- und Gersten-Allergiker können zudem auf Bier reagieren. Allerdings können auch Hefen sowie verschiedene in Bier enthaltene Enzyme als Ursache von allergischen Reaktion in Betracht kommen. Eine weiterer Auslöser ist das in vielen alkoholischen Getränken enthaltene Histamin.

Letztendlich muss jeder Allergie-Patient selbst ausprobieren, ob und wenn ja, welches Bier er verträgt. Generell empfiehlt es sich (auch aus anderen gesundheitlichen Gründen), entsprechend Maß zu halten.

 

Therapiemöglichkeiten

Bisher gibt es keine zugelassene Therapieform für die WDEIA oder das Bäckerasthma. In Studien wird derzeit an Patienten untersucht, ob mittels einer oralen Hyposensibilisierung eine Linderung oder sogar Heilung erzielt werden kann.

 

Weitere Maßnahmen zur Vorbeugung

Ein Allergiepass sollte ausgestellt und Angehörige über die Erkrankung informiert werden. Auch kann eine individuelle Ernährungsberatung hilfreich sein. Unnötige Diäten unter Vermeidung sämtlicher Lebensmittel, die möglicherweise Spuren von Weizen enthalten, sind dagegen für die klassische Weizenallergie – im Gegensatz zur Zöliakie - nicht zu empfehlen.

 

Dr. med. Hans-Georg Vitzthum (Facharzt für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde)

Lindenstr. 16, 06449 Aschersleben
Tel.: 03473-804879
E-Mail: vitzthum-hno@t-online.de
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