Anaphylaktische Reaktionen nach körperlicher Anstrengung
Das Wort Anaphylaxie kommt aus dem griechischen und setzt sich zusammen aus „ana“ = gegen und „phylaxis“ = Schutz. Die Anaphylaxie ist eine akute und plötzlich auftretende allergische Reaktion des Immunsystems von Menschen auf wiederholte Zufuhr körperfremder Eiweißstoffe. Sie betrifft den gesamten Organismus. Sie führt wörtlich betrachtet zu einer „Schutzlosigkeit“ des Patienten.
Anaphylaktische Reaktionen können sich in Form von leichten Hautreaktionen bis zu Störungen von Organfunktionen zeigen. Diese können sich aber auch bis zu einem anaphylaktischen Schock (Kreislaufschock mit möglichem Organversagen bis hin zum tödlich verlaufenden Kreislaufversagen) weiterentwickeln.
Zahlreiche Ursachen für anaphylaktische Reaktionen
Anaphylaktische Reaktionen können verschiedene Ursachen haben wie z. B.:
- Insektenstiche von Biene und Wespe,
- Medikamente
- Verzehr bestimmter Nahrungsmittel
Aber auch körperliche Anstrengung ein bis zwei Stunden nach einer Mahlzeit kann zu einer anaphylaktischen Reaktion führen. Dies führte zum Begriff der nahrungsmittelabhängigen anstrengungsinduzierten Anaphylaxie.
Allergie-Nahrungsmittel unterscheiden sich je nach Region
Interessant ist der Umstand, dass sich die häufigsten Allergie-auslösenden Lebensmittel je nach Region unterscheiden
Weizen in Nordeuropa an der Spitze
In den nordeuropäischen Ländern ist Weizen das häufigste Nahrungsmittel, auf das Allergiker reagieren. Als relevantes Allergen haben Forscher eine Substanz namens Omega-5-Gliadin identifiziert.
Südeuropa: Obst und Gemüse
In Südeuropa werden dagegen zumeist Reaktionen auf Obst und Gemüse beschrieben. Aber auch Hülsenfrüchte, Nüsse, Tierprodukte und Gewürze können die Auslöser sein.
Wenig Daten zur Häufigkeit
Genaue Daten zur Häufigkeit dieser allergischen Reaktion fehlen und viele Patienten sind vermutlich bisher nicht diagnostiziert. In Deutschland liegen die Krankheitshäufigkeit und Anzahl neu auftretender Erkrankungsfälle von Anaphylaxien ungefähr zwischen einem und vier Prozent. Wissenschaftler vermuten, dass bei ca. 20 bis 30 % der Fälle körperliche Anstrengung an der Entstehung beteiligt ist.
Weizenbrötchen und anschließender Sport
Ein Beispiel: Wenn Sie zum Frühstück ein Weizenbrötchen essen und eine Stunde später joggen, können folgende Symptome auftreten:
- Nesselsucht
- Atemnot
- Kreislaufbeschwerden
Besonders häufig treten Symptome an der Haut und den Schleimhäuten auf. Wenn Sie hingegen nach dem Genuss des Weizenbrötchens Zeitung lesen, passiert nichts. Ebenso bleiben Sie verschont, wenn Sie nüchtern joggen gehen.
Was passiert dabei mit Ihrem Immunsystem?
Wissenschaftler vermuten, dass die körperliche Anstrengung zu einer veränderten Durchblutung Ihres Magen-Darm-Traktes führt. Überdies wurde nachgewiesen, dass der pH-Wert in den Muskeln nach körperlicher Anstrengung niedrig ist, Ihre Muskulatur ist also „sauer“. Das wiederum hat Einfluss auf bestimmte Zellen des Immunsystems (Mastzellen), die daraufhin bestimmte Stoffe freisetzen.
Mastzellen finden sich in der Haut, in den Atemwegen und im Magen-Darm-Trakt. Die Freisetzung von Inhaltsstoffen aus den Mastzellen (z. B. Histamin) führt dann zu Quaddelbildung, Juckreiz und Verengung der Atemwege. Diese Reaktionen können innerhalb weniger Minuten auftreten.
Wie wird die Diagnose gestellt?
Zunächst befragt Sie Ihr Arzt zu Ihrer Krankengeschichte. Idealerweise führen Sie ein Tagebuch, aus dem ein Zusammenhang aus Nahrungsaufnahme, Sport und Beschwerden ersichtlich ist. Das hilft dabei, die Allergie-auslösenden Nahrungsmittel zu identifizieren.
Relevant sind auch mögliche Begleitfaktoren (Kofaktoren), wie Medikamente, Alkohol und Stress. Die auslösenden Allergene prüft Ihr Arzt mit einem Haut- und/oder Bluttest. Den entscheidenden Hinweis liefert die orale Provokationstestung. Dabei erhalten Sie das verdächtige Lebensmittel und im Anschluss daran betätigen Sie sich körperlich. Auch die genannten Kofaktoren finden Berücksichtigung.
Test für Weizen wenig zuverlässig
Der genannte Provokationstest besitzt bei Verdacht auf eine Weizenallergie leider nur eine begrenzte Aussagekraft. Etwa bei 40 bis 70 % der Patienten lässt sich die Diagnose auf diese Art sicher stellen.
Bedeutung für Patienten
Wenn Sie nach einer Mahlzeit und sich anschließender (stärkerer) körperlicher Anstrengung oder Sport schon eine oder mehrere Reaktionen wie Juckreiz, Nesselsucht, Atemnot, Herzrasen oder gar eine Kreislaufschwäche bemerkt haben, sollten Sie an eine anstrengungs-induzierte Nahrungsmittelallergie denken.
Welche therapeutischen Möglichkeiten gibt es?
Mit einer Reihe von Maßnahmen gelingt es Ihnen, die Beschwerden in den Griff zu bekommen.
- Vermeidungsstrategien: Die Meidung der allergieauslösenden Nahrungsmittel ist letztlich die sicherste Maßnahme, um die Symptome zu umgehen. Auch sollten Sie vierStunden vor geplanter körperlicher Anstrengung (z.B. Fußball spielen, Joggen) das auslösende Nahrungsmittel nicht mehr zu sich nehmen.
- Familienangehörige, Sportlehrer etc. sollten über die Auslöser und Umstände der anstrengungsinduzierten Anaphylaxie informiert werden.
- Aufgrund des Risikos sich wiederholender Ereignisse sollten Sie sich von Ihrem Arzt einen Anaphylaxie-Ausweis ausstellen und ein Notfallset aufschreiben lassen, welches Sie dann zum Sport mitnehmen müssten. In diesem sind verschiedene Medikamente enthalten, die Sie selbst bei beginnender anaphylaktischer Reaktion einnehmen bzw. anwenden können, bevor Sie ärztlich behandelt werden.
Dr. med. Alparslan Koc (Facharzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde)
Ludwigstraße 6a, 45739 Oer-Erkenschwick
E-Mail: info@hno-wagner-koc.de