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Ärzte erklären

Milchallergie: Steckt eine Lactoseintoleranz dahinter?

Viele Menschen beklagen eine zunehmende Unverträglichkeit gegenüber Milch und Milchprodukten. Nach dem Genuss von Milch treten Beschwerden in Form von Völlegefühl und Blähungen, manchmal sogar Durchfall auf.

 

Lactose-Intoleranz

In den meisten Fällen besteht eine Lactose- bzw. Milchzucker-Intoleranz. Diese hat nichts mit einer Allergie gegen Milch zu tun. Eine Lactose-Intoleranz tritt auf, wenn der Körper zu wenig oder auch gar keine Lactase mehr bildet. Dieses Enzym benötigen wir, um den Milchzucker, die Lactose, zu verdauen.

Fehlt es, bleibt der Milchzucker unverdaut, gelangt in den Darm und beginnt dort zu gären. Diese Gärungsprodukte, sowie die Gase Methan und Wasserstoff führen dann zu den typischen Beschwerden wie Blähungen, Unwohlsein und Durchfall.

 

Milch ist Säuglingsnahrung

Es ist völlig normal, dass wir mit zunehmendem Lebensalter immer weniger Lactase produzieren. Schließlich ist Milch bei allen Säugetieren, zu denen auch wir Menschen gehören, eigentlich eine Säuglingsnahrung. Erwachsene, die - bedingt durch ihre Lebensweise (z. B. Chinesen) - keine Milch oder Milchprodukte auf ihrem traditionellen Speiseplan haben, produzieren evolutionsbedingt keine Lactase.

In unserem Lebensumfeld bleibt die Lactase-Aktivität auch über das Säuglingsalter und das Stillen hinaus erhalten, da wir regelmäßig Milch-und Milchprodukte konsumieren. Dennoch nimmt die Aktivität des Enzyms auch bei uns im Laufe des Lebens ab.

 

Bedeutung für Patienten

Menschen, die unter einer Lactose-Intoleranz (also einer Unverträglichkeit) leiden, sollten ihren Milchkonsum generell einschränken und auf Lactose-freie Produkte umsteigen. In Ausnahmefällen kann man das Enzym Lactase auch in Form von Tabletten zu sich nehmen. Unter dem Aspekt einer gesunden und ausgewogenen Ernährung sollte der Milchkonsum mit zunehmendem Lebensalter aber eingeschränkt werden.

Übersichtstabellen von Milchprodukten mit Angaben zum Lactosegehalt können zudem helfen, Milchprodukte mit wenig Lactose auszuwählen. Einen Kalziummangel muss man nicht befürchten, denn Lebensmittel wie Kohlrabi, Grünkohl und Aprikosen enthalten ausreichende Mengen dieses für Nerven und Muskeln wichtigen Elements. Auch Kalzium-haltige Mineralwasser helfen, den Bedarf zu decken.

 

Die Allergie gegen Milch

Davon zu unterscheiden ist eine echte Allergie gegen Milch. Hier produziert das Immunsystem Abwehrstoffe, also Antikörper, gegen das Eiweiß in der (Kuh-)Milch. Die Beschwerden sind denen der Lactose-Intoleranz oft sehr ähnlich, haben aber eine ganz andere Ursache.

Bedingt durch unsere Lebens-und Ernährungsgewohnheiten kommen wir, nach dem Abstillen, oft als erstes mit Kuhmilch in Kontakt. Ungefähr drei Prozent aller Säuglinge und Kleinkinder entwickeln Abwehrstoffe gegen das Kuhmilcheiweiß, da dieses vom kindlichen Immunsystem als fremd und „gefährlich“ eingestuft wird.

 

Körper wehrt sich gegen Milcheiweiße

Insgesamt besteht Kuhmilch aus 25 verschiedenen Eiweißen, die, jedes für sich, Allergie-auslösend sein können. Es handelt sich um eine Überreaktion des Immunsystems und somit um eine echte Allergie. Beschwerden können nicht nur den Magen-Darm-Trakt, sondern auch die Haut (Hautausschlag) oder das Atemsystem (Asthma) betreffen.

In der Mehrheit der Fälle, also über 75 Prozent der Kinder, entwickeln bis zum zweiten Lebensjahr, weitere 15 Prozent bis zum sechsten Lebensjahr eine Toleranz. Dann wird Kuhmilch schließlich vertragen. Erwachsene sind generell eher selten von einer Milch-Allergie betroffen.

 

Verschiedene Allergietypen

Aufgrund der Zeit, die zwischen dem Milchgenuss und dem Auftreten von Beschwerden vergeht, unterscheidet man eine Allergie vom Sofort-Typ und eine andere vom Spät-Typ. Beide Typen gibt es bei der Milcheiweiß-Allergie.

 

Allergie vom Sofort-Typ

Bei der Allergie vom Sofort-Typ werden vom Immunsystem Abwehrstoffe, sog. Immunglobuline (Typ IgE) gebildet. Sie dienen dazu, Fremdstoffe zu erkennen und „unschädlich“ zu machen. Diese Immunglobuline können im Blut festgestellt werden und sind wichtig für die Allergie-Diagnostik. Im Rahmen dieser „Abwehrreaktion“ werden Entzündungsstoffe ausgeschüttet, die dazu beitragen, dass typische allergische Beschwerden (Hautrötung, Schwellungen, Magen-Darm-Beschwerden usw.) auftreten.

 

Allergie vom Spät-Typ

Die Allergie vom Spät-Typ wird nicht durch Immunglobuline, sondern durch andere Abläufe im Immunsystem ausgelöst. In diesem Fall können auch keine Immunglobuline im Blut nachgewiesen werden. Die Allergie gegen das Milcheiweiß ist dann nur dadurch nachweisbar, dass man nach einer Milch-freien Diät kleine Menge Milch(eiweiß) verabreicht, welches dann zu den typischen Beschwerden führt.

 

Behandlung der Milcheiweiß-Allergie

Die Behandlung einer Milcheiweiß-Allergie besteht zunächst immer darin, die Nahrung konsequent auf eine Milch-freie Ernährung (Vorsicht bei Fertigprodukten!) umzustellen. Soja-Milch, Ziegen- oder auch Schafmilch sind insbesondere bei Säuglingen oder Kleinkindern NICHT geeignet, da sie ebenfalls Allergie-auslösend sein können.

Mandelmilch hat zumindest für Säuglinge keinen ausreichenden Nährstoffgehalt. Falls ein Säugling nicht gestillt werden kann (auch hier muss die Mutter sich völlig Milch-frei ernähren), bietet sich die sogenannte H-A-Milch an. Diese wurde so aufbereitet, dass keine Allergie-auslösenden Eiweißstoffe mehr enthalten sind.

 

Spezifische Immuntherapie (SIT) gemeinsam mit dem Arzt planen

Ein zweiter Schritt ist die spezifische Immuntherapie (Hyposensibilisierung), bei der in kleinsten Schritten (also tropfenweise) über Wochen und Monate die Milchzufuhr langsam gesteigert wird, bis eine Toleranz erreicht wird. Diese langsame „Gewöhnung“ sollte immer nur unter ärztlicher Aufsicht und regelmäßiger Erfolgskontrolle durchgeführt werden. Insgesamt ist die Prognose sehr gut.

 

Dr. med. Irmgard Gundlach (Fachärztin für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde)
Dorstener Str. 6, 45894 Gelsenkirchen
E-Mail: praxis@hno-buer.de
http://www.hno-buer.de